Staat und Gesellschaft

August 2023  Sri Lanka steckt ein Jahr nach dem Sturz von Präsident Rajapaksa weiter in der Wirtschaftskrise obwohl Ende Juli die Inflation mit 6,3 Prozent erstmals seit fast zwei Jahren wieder im einstelligen Prozentbereich lag. Ein Jahr ist es her, seit Sri Lankas Expräsident Gotabaya Rajapaksa nach massenhaften Straßenprotesten seinen Hut nehmen musste. Nach einem Nothilfekredit des Internationalen Währungsfonds (IWF) von 2,9 Milliarden US-Dollar wurde dem Land zumindest kurzfristig Liquidität verschafft, doch der Alltag der Menschen ist weiterhin von gestiegenen Kosten und Versorgungsengpässen geprägt. Im März mussten Kommunalwahlen erneut verschoben werden, weil das nötige Geld für ihre Durchführung nicht bereitgestellt werden konnte. Vor etwa zwölf Monaten waren Benzin und Diesel zwischenzeitlich nur noch an wenigen Tankstellen überhaupt erhältlich, in den Krankenhäusern selbst die Vorräte gängiger Medikamente und Verbrauchsmaterial auf ein Minimum geschrumpft. Die Regierung hatte zeitweise sogar den eigenen Beamten empfohlen, einen Tag pro Woche zu Hause zu bleiben und Gemüse zur Selbstversorgung anzubauen. Die knapp drei Milliarden US-Dollar IWF-Kredite lassen den immensen Schuldenberg auf beinahe 80 Milliarden US-Dollar Gesamtverbindlichkeiten des Staates anwachsen. Die Gläubiger sitzen etwa je zur Hälfte im In- und Ausland. Erste Umschuldungsvereinbarungen haben Rückzahlungsfristen gestreckt. Nachdem Sri Lanka erstmals im April 2022 seinen ausländischen Schuldendienst nicht mehr bedienen konnte, war zuletzt davon die Rede, die unterbrochenen Geldflüsse womöglich im September wieder aufzunehmen. Was die Beliebtheit in der Bevölkerung angeht, hat Präsident Ranil Wickremesinghe inzwischen ähnlich katastrophale Popularitätswerte wie sein abgesetzter Vorgänger Rajapaksa auf dem Höhepunkt der multiplen Krise.

Derweil mehren sich die Proteste auf den Straßen, Sicherheitskräfte gehen teils gewaltsam gegen protestierende Studenten vor. Am letzten Julitag waren es nach einem Aufruf der linksgerichteten Oppositionsfront National People’s Power (NPP) vor allem Arbeiter und Angestellte, die Sicherheiten für die beiden staatlichen Rentenfonds EPF und ETF einforderten. Die Sorge geht um, im Zuge der Umstrukturierung der Schulden gegenüber einheimischen Banken könnten diese – und somit auch die Altersvorsorge von Millionen Menschen – in Schieflage geraten. Auf parlamentarischer Ebene wächst die Kritik am Kurs Wickremesinghes deutlich. Der Präsident, zuvor einziger Abgeordneter seiner einst so starken Vereinigten Nationalpartei (UNP), ist auf die Unterstützung anderer Gruppen angewiesen – insbesondere die Mehrheitsfraktion der faktisch gespaltenen Sri Lanka Podujana Peramuna (SLPP), die weiter vom Rajapaksa-Clan kontrolliert wird. Das Minderheitslager, vom langjährig loyalen Exparteichef Gamini Lakshman Peiris angeführt, drängt nun ebenso wie die linke Opposition darauf, die eingeleiteten Privatisierungen großer Staatsunternehmen zu stoppen. Der Präsident dürfe nicht zu Lasten aller seine persönliche Agenda durchziehen, mahnte Peiris im Gespräch mit der Zeitung The Island. Vor allem stört sich der SLPP-Dissident am Verkauf von Sri Lanka Telekom (SLT) und der Versicherungsgesellschaft SLIC. Diese hält nicht nur wiederum 99 Prozent am dominanten Gasversorger Litro, sondern hat auch Gesamteinlagen von 274 Milliarden Rupien (773 Millionen Euro), darunter den landesweit mit Abstand größten Lebensversicherungsfonds mit 156 Milliarden Rupien. Vor allem Staatsbedienstete, die bei SLIC versichert sind, fürchten bei einer Privatisierung um ihre bisherigen Verträge und garantierten Leistungen. (Quelle: Thomas Berger-junge Welt)

23.Juli 2023 Explosionen der Gewalt

Vernarbte Wunden, frische Gräberfunde und anhaltende Blockaden. Zum 40. Mal jährt sich in Sri Lanka der »Schwarze Juli«, der Auftakt eines opferreichen Bürgerkriegs. Umfassende Aufarbeitung gibt es bis heute nicht. Von: Thomas Berger – junge Welt

Schmerzvoll erinnern sich in diesen Tagen und Wochen die Angehörigen der tamilischen Minderheit in Sri Lanka an den »Schwarzen Juli«. 40 Jahre liegen die Pogrome zurück, die in der historischen Betrachtung zum Auslöser des Bürgerkriegs wurden, der bis zu seinem noch einmal besonders blutigen und brutalen Ende im Mai 2009 26 Jahre tobte, grob geschätzt 100.000 Menschen das Leben kostete und ganze Landstriche im umkämpften Norden und Osten der dem indischen Subkontinent vorgelagerten Insel verheerte. Die Wunden mögen inzwischen vernarbt sein. Aber unter der Oberfläche gärt es weiter – gerade weil sich die Regierenden in den fast anderthalb Jahrzehnten, seit denen mittlerweile Frieden herrscht und das Land ungeachtet der aktuellen Wirtschafts- und Finanzkrise einen Aufschwung erlebt hat, einer offenen Aufarbeitung der gewaltsamen Vergangenheit konsequent verweigern. So verwundert es nicht, dass zahlreiche kritische Stimmen auch dem jüngst von der jetzigen Regierung unter Präsident Ranil Wickremesinghe vorgestellten Plan zur Einrichtung einer Wahrheits- und Versöhnungskommission mindestens skeptisch gegenüberstehen. Was vom Parlament noch im August als Gesetz verabschiedet werden soll, stufen sie als reine Symbolpolitik ein. Und auch führende Vertreter der Vereinten Nationen wie Ende Juni die stellvertretende Hochkommissarin für Menschenrechte, Nada Al-Nashif, werfen den Mächtigen in Colombo einmal mehr einen »Mangel an Verantwortung« und ein »Auseinanderklaffen« von Worten und Taten beim Willen zur Aufklärung vor. »Solange Straflosigkeit herrscht, wird Sri Lanka weder genuine Versöhnung noch nachhaltigen Frieden erreichen«, machte Al-Nashif deutlich. Auftakt Eine ganze Reihe von Ereignissen sorgte dafür, dass sich die ohnehin angespannte Situation im Juli 1983 immer weiter zuspitzte. Die vom singhalesisch-nationalistischen Hardliner Junius Richard Jayawardene von der Vereinigten Nationalpartei (UNP) angeführte Regierung hatte der Armee bereits erweiterte Vollmachten gegeben, um gegen »tamilische Extremisten« vorzugehen. Manche Angehörige der Streitkräfte nutzten dies als persönlichen Freibrief zum Verbrechen. So sorgten Entführungen und Missbrauch tamilischer Schülerinnen auf seiten der bedrängten Minderheit für Schmerz und Entrüstung. Den »Befreiungstigern« von Tamil Eelam (LTTE), bislang nur eine unter mehreren militanten Organisationen der Tamilen, diente genau dies nun als Rechtfertigung für eine aus ihrer Sicht symbolträchtige Racheaktion. Am 23. Juli 1983 explodierte gegen 23.30 Uhr auf einem Militärstützpunkt im Norden der Insel eine Bombe, die unter einem Sitz in einem Armeejeep deponiert worden war, und verletzte die beiden Fahrzeuginsassen schwer. Als den Opfern weitere Soldaten zu Hilfe eilten, schlug die verantwortliche LTTE-Einheit erst richtig zu. 13 Soldaten kamen bei dem Überfall ums Leben. Verglichen mit dem, was bald folgen sollte, war das noch ein geringer Blutzoll. Denn schon am nächsten Tag, als die Leichen der Getöteten auf höchste Anordnung von Jaffna nach Colombo überführt wurden, kam es nicht nur in der Hauptstadt, sondern an vielen Orten des Landes zu pogromartigen Ausschreitungen, die bis zum Ende des Monats anhielten. Radikale Angehörige der singhalesischen Bevölkerungsmehrheit gingen auf ihre tamilischen Nachbarn los, zuhauf wurden Geschäfte, die Tamilen gehörten, überfallen und niedergebrannt. Die Inhaber hatten Glück, wenn sie selbst kaum beschadet davonkamen. Wie während des gesamten Bürgerkriegs, als dessen Auftakt jene Tage später gezählt werden sollten, ist nicht ganz klar, wie hoch die Anzahl der Todesopfer tatsächlich war. Bisweilen ist von mindestens einigen hundert die Rede, die meisten seriösen Schätzungen gehen von 3.000 bis 4.000 Menschen aus, die in jenem »Schwarzen Juli« ihr Leben ließen. Selbst in den Gefängnissen wurden laut BBC-Recherchen mehr als 50 Tamilen von singhalesischen Mitgefangenen ermordet. Die letzten Hemmungen zum brutalen Gewalteinsatz waren nunmehr auf beiden Seiten gefallen. Während die LTTE, die infolge der Pogrome erst so richtig Zulauf erhielt, nun vollends ihren »Volkskrieg« mit nicht zuletzt terroristischen Methoden wie Selbstmordattentaten entfachte, ging der gesamte Sicherheitsapparat der Staatsmacht um so unbarmherziger gegen alle Angehörigen der Minderheit vor, die auch nur der geringsten Sympathie mit den Militanten verdächtigt wurden. Die Julitage hatten überdeutlich gezeigt, dass weder Polizei noch Armee alle Bürger ohne Ansehen von Herkunft, Sprache und ethnischer Zugehörig schützten: Militärlastwagen transportierten mordlüsterne singhalesische Extremisten, die bei der Auswahl ihrer Ziele einfach die Wählerlisten zu Hilfe nahmen, während allein in Jaffna, der größten Stadt im tamilisch dominierten Norden, Soldaten laut Berichten aus jener Zeit ganz unmittelbar an der Ermordung von 50 Angehörigen der Minderheit beteiligt gewesen sein sollen. Ermuntert fühlten sie sich ganz offenbar vom Präsidenten und von anderen hochrangigen Politikern. Jayawardene hatte bereits einige Tage vor den Pogromen in einer Rede verkündet, man gebe nichts auf die Meinung, die Belange und das Leben der Tamilen. Und die verhängte Pressezensur wie auch die erhebliche Einschränkung der Bewegungsfreiheit für ausländische Journalisten legt zumindest nahe, dass die blutigen Ausschreitungen, so spontan sie nach dem nächtlichen LTTE-Überfall anmuten mochten, Teil eines geplanten Vorgehens waren. Diskriminierung Seit mehr als zwei Jahrtausenden leben Ceylon-Tamilen und Singhalesen auf der Insel. Während der britischen Kolonialzeit wurden weitere Tamilen aus dem benachbarten Südindien ins Land geholt, die sich vor allem als Plantagenarbeiter zu verdingen hatten. Zusammengenommen stellen die Tamilen gut 15 Prozent der Gesamtbevölkerung. Die überwiegend buddhistischen Singhalesen machen knapp 74, Muslime (Moors) als religiöse Minderheit neun Prozent aus. Schon bald nach der 1948 erlangten Unabhängigkeit Ceylons, das nun als Sri Lanka ein eigener Staat war, sich bald Demokratische Sozialistische Republik nannte und mindestens zeitweise analog zum großen Nachbarn Indien einen explizit progressiven Kurs steuerte, begannen die verstärkten Diskriminierungen der Tamilen. Besonders sichtbar wurde dies 1956 mit dem Beschluss des Official Language Act, mit dem höchstoffiziell Englisch als Amtssprache durch Singhalesisch abgelöst wurde. Umgangssprachlich ging das Gesetz deshalb auch als Sinhala Only Act in die Geschichtsschreibung ein. Der sozialdemokratische Premier Solomon W. R. D. Bandaranaike hatte der tamilischen Sprache in einer Ergänzung noch eine gewisse untergeordnete Rolle mit klaren Regeln zugestehen wollen, musste diesen Passus aber unter dem beträchtlichen Druck nationalistischer Hardliner streichen, die andernfalls zum Teil mit Protestfasten bis zum Tod drohten. Für das Gesetz stimmten in ungewohnter Eintracht seine Sri Lanka Freiheitspartei (SLFP) ebenso wie die nunmehr oppositionellen Konservativen der Vereinigten Nationalpartei (UNP), während die Neinstimmen aus dem Lager der tamilischen Abgeordneten und der Linksparteien, vor allem der sozialistischen LSSP und der Kommunisten, kamen. Während der 1960er und 1970er Jahre spitzten sich die Feindseligkeiten und diskriminierenden Akte gegen die Minderheit stetig zu. Eine ganze Reihe militanter Organisationen der Tamilen war schließlich nicht mehr gewillt, diesen Demütigungen und Ausgrenzungen lediglich mit friedlichem Protest zu begegnen. Doch eine Gruppe, die in einem eigenen Tamilenstaat, der den Norden und Osten der Insel umfassen sollte, die einzige Lösung sah, sollte alsbald zur quasi alleinigen Anführerin dieser neuen Bewegung werden: Die bereits 1976 gegründete LTTE unter ihrem ebenso charismatischen wie skrupellosen und alsbald gefürchteten Chef Velupillai Prabhakaran. Der 1954 Geborene hatte sich schon als 18jähriger einer Vorläuferorganisation der »Befreiungstiger« angeschlossen und Mitte 1975 gemeinsam mit einigen anderen den damaligen Bürgermeister von Jaffna erschossen. In der neuen LTTE stieg der erst 22jährige sofort zum militärischen wie politischen Anführer auf. Seine Eltern, einer niedrigen Fischerkaste entstammend, wurden als fromme Hindus beschrieben, die Gandhis Lehre des gewaltlosen Widerstandes (Ahimsa) anhingen. Der Sohn jedoch soll schon als Schuljunge lieber Bücher über Feldherrn wie Napoleon und Alexander den Großen verschlungen haben. Vor allem aber duldete er keinerlei Widerspruch. Innerhalb der LTTE ging er hart gegen Kritiker vor, was für die nicht selten tödlich endete. Alsbald entfachte er einen regelrechten Bruderkrieg gegen konkurrierende Organisationen im tamilisch-militanten Lager. 1986 eliminierte die LTTE nahezu die komplette Führungsriege der Tamil Eelam Liberation Organisation (TELO), die 1968 aus der radikalen Studentenbewegung heraus gegründet worden war und anderthalb Jahrzehnte die wichtigste militante Kraft darstellte. Auch andere Gruppen mussten Verluste hinnehmen. Dabei hatten TELO, Eelam People’s Revolutionary Liberation Front (EPRLF) und Eelam Revolutionary Organisation of Students (EROS) im Frühjahr 1984 eine Allianz mit dem Namen Eelam National Liberation Front (ENLF) gebildet, der kurz darauf auch die LTTE beitrat. »Befreiungstiger« Der machtbesessene Prabhakaran verfolgte aber mutmaßlich schon zu diesem Zeitpunkt, kaum ein Jahr nach den Pogromen des »Schwarzen Juli«, das Ziel, seine offiziellen Bündnispartner zu schwächen oder ganz auszuschalten. Ähnlich brutal, bis hin zum Mord, gingen die »Befreiungstiger« auch gegen Abgeordnete gemäßigter Tamilenparteien vor. Es ging dabei nicht nur um einen erbitterten Konkurrenzkampf und einen Alleinvertretungsanspruch, den die LTTE da ausfocht. So war Prabhakaran die enge Bindung, die die TELO zu Indien pflegte, ein Dorn im Auge. Der große Nachbar im Norden hatte auch seitens der offiziellen Politik in Delhi eine Zeitlang durchaus offen mit dem »tamilischen Freiheitskampf« in Sri Lanka sympathisiert. Die TELO war bis dato auch beim Spendensammeln in der tamilischen Diaspora deutlich erfolgreicher. Ob die Befürchtungen des LTTE-Chefs, Indien würde wiederum mit Hilfe der TELO seine physische Ausschaltung planen, einen realistischen Kern hatten, bleibt jedoch zweifelhaft. Jedenfalls griff Delhi auf Basis des Indo-Lanka-Accords ab Mitte 1987 mit einer Friedenstruppe (India Peace Keeping Force, IPKF) direkt in den Konflikt ein. Zeitweise waren bis zu 80.000 bewaffnete Kräfte aus Heer, Marine, Luftwaffe und diversen paramilitärischen Hilfstruppen im Nachbarland stationiert. Frieden zu schaffen oder auch nur eine dauerhafte Waffenruhe zu sichern, gelang aber nicht – im Gegenteil. Immer offener ergriff die IPKF für die Regierungsseite Partei und ging selbst gegen LTTE-Stellungen vor. Die Rebellen hatten zuvor eine Entwaffnung abgelehnt. Etwa 1.000 Angehörige der Friedenstruppe, die ihrem Namen immer weniger gerecht wurde, bezahlten dies mit ihrem Leben. Ab der zweiten Jahreshälfte 1989 bis ins Frühjahr 1990 erfolgte der Abzug aus dem gescheiterten Auslandseinsatz. Die Folgen sollten sich noch länger hinziehen: Im Mai 1991 verübte während des indischen Wahlkampfs eine Selbstmordattentäterin, die den »Befreiungstigern« zugerechnet wurde, einen tödlichen Anschlag auf den nunmehrigen Oppositionsführer Rajiv Gandhi, der als Premier vier Jahre zuvor die indische Intervention angeordnet hatte. Er war eines der beiden prominentesten Todesopfer, die Sri Lankas Bürgerkrieg in einem Vierteljahrhundert forderte. Das andere war zwei Jahre darauf, am 1. Mai 1993, Ranasinghe Premadasa, der zuvor unter Jayawardene schon Premierminister in Colombo gewesen war und ihn schließlich als Präsident abgelöst hatte. Nach dem Abzug der indischen Truppen war das gegenseitige Blutvergießen in Sri Lanka mitnichten beendet. Der Bürgerkrieg setzte sich im Laufe der 1990er Jahre unvermindert fort und wurde für die Zivilbevölkerung immer gefährlicher. Die LTTE kontrollierte weite Teile des Nordens, musste allerdings 1995 den Verlust der Metropole Jaffna an die Regierungstruppen hinnehmen. Die Rebellen wiederum sorgten alsbald einmal mehr für Angst und Schrecken, als am 31. Januar 1996 in Colombo ein Lastwagen mit einer riesigen Menge Sprengstoff in die Zentralbank gesteuert wurde. Die Explosion tötete mindestens 91 Menschen und verletzte weitere 1.400. Darüber hinaus hatte der Terrorakt, der als einer der blutigsten in der LTTE-Geschichte gilt, verheerende Auswirkungen auf den für den Inselstaat so wichtigen Tourismus. Das Attentat demonstrierte, dass Prabhakarans Getreue jederzeit an jedem Ort zuschlagen konnten. Die Besucherzahlen gingen zurück, die damit zusammenhängenden Einnahmen brachen um schätzungsweise 40 Prozent ein. Die Separatisten schlugen auf vielfältige Weise zu. Am 29. September 1998 wurde eine Maschine der Airline Lionair mit der Flugnummer 602 von Jaffna nach Colombo kurz nach dem Start abgeschossen, alle 55 Insassen kamen dabei ums Leben, alle 48 Passagiere waren Tamilen. Die LTTE-Führung hatte die Airline zuvor vor Anschlägen gewarnt, da diese auch Soldaten beförderte. Bereits im Oktober 1994 hatte eine LTTE-Selbstmordattentäterin im Präsidentschaftswahlkampf den kandidierenden Oppositionsführer Gamini Dissanayake ermordet. Die amtierende Premierministerin Chandrika Bandaranaike Kumaratunga, deren Eltern beide frühere Regierungschefs waren, gewann die Wahlen. Im Wahlkampf für ihre zweite Amtszeit 1999 überlebte sie selbst einen Anschlag der Rebellen, verlor aber ein Auge. Schon bald nach ihrem ersten Amtsantritt als Staatsoberhaupt hatte sie erstmals die Möglichkeit eines Waffenstillstands angedeutet. Die Bemühungen waren vorerst vom Tisch, als die LTTE 1995 zwei Boote der Kriegsmarine in die Luft jagte. In der zweiten Hälfte der 90er Jahre ließ daraufhin auch Kumaratunga Militäroffensive auf Militäroffensive im Norden folgen, ohne dass dies abseits noch größerer Leiden der Zivilbevölkerung in den betroffenen Gebieten sonderlich viel am generellen Kräfteverhältnis geändert hätte. Es war nicht zuletzt die Einsicht in diese Realitäten, die Kumaratunga zur Jahrtausendwende einen neuen Anlauf für Friedensgespräche unter norwegischer Vermittlung starten ließ, der 2002 tatsächlich in einem umfassenden Abkommen für einen Waffenstillstand mündete. Die Hoffnungen, endlich einen permanenten Durchbruch erzielt zu haben, währte indes nur kurz. Nach diversen Verletzungen der Vereinbarungen durch beide Seiten war die Übereinkunft spätestens 2003 faktisch tot. Spaltung Dafür musste die LTTE im folgenden Jahr ihre bis dato größte Niederlage hinnehmen: Oberst Karuna Amman, mit bürgerlichem Namen Vinayagamoorthy Muralitharan, einer der ranghöchsten Rebellenkommandeure, spaltete sich von der Bewegung ab. Es war ein Aufstand etlicher Kader aus dem Osten gegen die Spitze der Bewegung, die fast ausschließlich aus Männern des Nordens bestand. Karuna warf Prabhakaran und dessen Getreuen vor, dass die »Ostler« innerhalb der LTTE den größten Blutzoll leisteten, aber in der Hierarchie immer nur die zweite Geige spielten. Der Zwist eskalierte in einem temporären Bruderkampf, der nicht minder erbittert geführt wurde wie der zwischen Rebellen und Armee. Die (Nord-)LTTE ermordete unter anderem mehrere enge Vertraute Karunas, dieser wiederum unter anderem den Vizechef des LTTE-Geheimdienstes. Dennoch brachte die Spaltung der »Befreiungstiger« zumindest dem Osten tatsächlich Frieden. Nach Trincomalee und Batticaloa kehrten die ersten Touristen zurück, während Bauern in der Gegend wieder ohne Furcht aufs Feld gehen und Fischer aufs Meer fahren konnten. Karuna diente sich der Mainstreampolitik an und wurde für etliche Jahre ein wichtiger Bündnispartner der sozialdemokratischen Sri Lanka Freiheitspartei (SLFP). Gegen die mit seiner Abspaltung auch militärisch geschwächte Rest-LTTE setzte die Regierung von Präsident Mahinda Rajapaksa unter seinem Bruder Gotabaya als Verteidigungsminister und dem bis heute ebenfalls als Kriegsheld verehrten Armeechef Sarath Fonseca im Frühjahr 2009 schließlich jene finale Militäroffensive in Gang, die im Mai mit der endgültigen Niederlage der Separatisten und dem Tod ihrer kompletten Führungsriege endete. Wo sind die Angehörigen? Was wurde aus Vater, Bruder, Schwester, Tochter, Sohn oder Ehemann? Bis heute haben Tausende Menschen in Sri Lanka auf diese Frage keine Antwort. Über den »Verräter« Karuna hielten dessen neue Freunde in höchsten Kreisen stets schützend die Hand, wenn wieder einmal Vorwürfe gegen den früheren Toprebellenkommandeur laut wurden. Und davon gab es viele: Sie reichen von der Rekrutierung Minderjähriger als Kindersoldaten, eine gängige Praxis in den Jahren des Bürgerkriegs, bis hin zu vielfachen Morden. Karuna selbst hat sich gewissermaßen damit gebrüstet, als er im ersten Coronajahr 2020 in einem umstrittenen Statement betonte, er sei »viel gefährlicher« als das Virus, denn er habe dereinst mindestens 2.000 Regierungssoldaten getötet. Die daraufhin eingeleiteten Ermittlungen verliefen aber faktisch im Sande, so wie schon in früheren Fällen 2008 und 2015. »Der Mann, der noch über Gott steht«, hatte angesichts solcher Unantastbarkeit trotz ungezählter Anzeigen von Opferangehörigen und Menschenrechtsaktivisten der Colombo Telegraph in einem Beitrag 2015 über Karuna getitelt. Höchste Gerichte wiesen Klagen gegen ihn ab. Schweigen Nicht nur mit dem »geläuterten« Exrebellen, an dessen Händen viel Blut klebt, geht das Establishment im Land sorgsam um. Eine noch geringere Motivation besteht in Colombo, die diversen Menschenrechtsverletzungen zu untersuchen, die von seiten der Armee in den 26 Jahren des Krieges und auch noch danach verübt worden sind. Der Wille zur Aufarbeitung fehlt nach wie vor, in dieser Einschätzung sind sich UN-Stellen und einheimische Menschenrechtsgruppen einig. Fünf Organisationen aus dem Lager der Letztgenannten haben erst im Juni in einer gemeinsamen Erklärung die umfassende Untersuchung von Massengräbern gefordert. Davon gibt es landesweit mutmaßlich noch Hunderte, bei bisherigen Funden ergriffen dann in aller Regel hochrangige Stellen zügig Maßnahmen, um gründliche Ermittlungen zu behindern bzw. komplett zu unterbinden. »Wir alle wissen von Zehntausenden Leichnamen, die überall auf der Insel in untiefen Gräbern liegen«, wurde Brito Fernando von der Organisation Families of the Disappeared in der Zeitung The Island zitiert, der namens des NGO-Bündnisses allein auf diese gedeckelten Beweise hinwies. Sämtliche Bemühungen der internationalen Staatengemeinschaft, unter Schirmherrschaft der Vereinten Nationen eine wirklich unabhängige Untersuchung der Verbrechen in die Wege zu leiten, wurden von Colombo stets abgeblockt – ganz egal, wer dort in den vergangenen anderthalb Jahrzehnten die Macht ausübte. Mahinda Rajapaksa gewährte zwar schließlich der damaligen Hochkommissarin für Menschenrechte, Navanethem Pillay, Zutritt ins Land, sorgte dann aber effektiv dafür, dass sie so gut wie keine Gelegenheit erhielt, um etwa Hinterbliebene und Opfergruppen direkt zu treffen – die Reise wurde so zur Farce, wie Pillay selbst monierte. Hoffnungen, dass sich nach dem denkbar knappen Wahlsieg der vereinigten Opposition unter dem Exgesundheitsminister Maithripala Sirisena (2015–2019) an der harten Verweigerungshaltung etwas ändern würde, erfüllten sich nicht. Und als Mahindas jüngerer Bruder Gotabaya die Präsidentschaftswahlen 2019 gewann, war ohnehin klar, dass der ehemalige Verteidigungsminister erst recht keinerlei Interesse daran haben würde, dass irgendwelche Ermittlungsteams am Heldennimbus kratzen und unangenehme Fragen stellen. Schon 2013 als Minister hatte er in Matale die Vernichtung aller älteren Polizeiakten angeordnet – damals war ganz in der Nähe des Krankenhauses der Provinzstadt, wo er 1989 Militärkommandant gewesen war, ein Massengrab aus jener Zeit mit Hunderten Überresten von Leichen mutmaßlicher LTTE-Kader gefunden worden. Der jüngste Fund dieser Art kommt wiederum aus Mullaitivu, einer Stadt im Nordosten, die zu Bürgerkriegszeiten umkämpft und zeitweise Militärbastion war. Bei Kanalarbeiten waren Mitarbeiter der nationalen Wasserbehörde dort auf Skelette gestoßen, seit dem 6. Juli laufen jetzt Grabungsarbeiten. Nahezu zeitgleich hat ein Gericht in Matale neue Überprüfungen eines dortigen Grabes angeordnet, das schon seit 2019 bekannt ist. Die bisher vorliegende zeitliche Einordnung der Proben durch ein Labor in Florida, das die Knochen dem Zeitraum der Jahre zwischen 1477 und 1719 einordnet, werden angezweifelt. Andere Experten halten das Grab mit 318 Leichen, darunter 18 Kinderleichen, für nicht älter als 30 Jahre. Und Metallreste deuten darauf hin, dass die Opfer zum Zeitpunkt ihres Todes gefesselt waren. Ob die aktuelle Regierung tatsächlich mehr Offenheit im Umgang mit dem dunklen Kapitel der jüngeren Geschichte der Insel zeigt, wird sich auch im Umgang mit solchen Fällen zeigen müssen.

Ebenfalls ein guter Überblick über den Bürgerkrieg : https://www.nzz.ch/international/sri-lanka-die-tamilen-haben-den-black-july-nicht-vergessen-ld.1748659

Stärkung der Wirtschaft Juli 2023

Bangkok — Sri Lan­ka treibt seine Pläne zur Stärkung der Han­dels­beziehun­gen weit­er voran und strebt an, die Frei­han­delsver­hand­lun­gen mit Thai­land bis Feb­ru­ar 2024 abzuschließen und das Abkom­men im März formell zu unterzeichnen. Neben den laufend­en Gesprächen will Sri Lan­ka auch Frei­han­dels­ge­spräche mit Indone­sien aufnehmen und Ver­hand­lun­gen mit der benach­barten Wirtschafts­macht Indi­en wieder aufnehmen, um ein beste­hen­des Han­delsabkom­men weit­erzuen­twick­eln und zu verbessern. Sri Lan­ka hat auch großes Inter­esse an ein­er Wieder­auf­nahme der Ver­hand­lun­gen über ein Frei­han­delsabkom­men mit Chi­na bekun­det, um die wirtschaftliche Erhol­ung und die Rück­kehr zu einem nach­halti­gen Wach­s­tum­sp­fad zu erleichtern. Sri Lan­ka bleibt hoff­nungsvoll, dass der Höhep­unkt dieser Bemühun­gen eine neue Ära des wirtschaftlichen Wohl­stands ein­leit­en, neue Wege für den Han­del eröff­nen und die Posi­tion des Lan­des auf dem glob­alen Markt verbessern wird. (NNT) – Quelle: pattayamail.com

HOFFNUNG April 2023

By@ dpa.de

COLOMBO/WASHINGTON (dpa-AFX) – Der hoch verschuldete Krisenstaat Sri Lanka erhält vom Internationalen Währungsfonds (IWF) ein Hilfsprogramm in Höhe von rund drei Milliarden US-Dollar (2,8 Milliarden Euro). „Sri Lanka wurde von einer katastrophalen wirtschaftlichen und humanitären Krise schwer getroffen“, teilte der IWF am Montag mit. Das auf vier Jahre angelegte Kreditprogramm soll Wirtschaft und Entwicklung des Inselstaats stützen und dabei helfen, die Staatsfinanzen wieder zu stabilisieren. Eine erste Auszahlung von rund 333 Millionen Dollar soll demnach sofort überwiesen werden.

Weitere Tranchen des Hilfsprogramms sind an Bedingungen wie die Umsetzung bestimmter Reformen geknüpft. Um die Kredite zu bekommen, hatte die Regierung von Präsident Ranil Wickremesinghe bereits vorab Reformen wie Steuererhöhungen vorgenommen. Das führte zu Protesten von politischen Parteien und Gewerkschaften.

Sri Lankas Finanzminister Shehan Semasinghe sagte angesichts von Vorwürfen fehlender Kontrolle möglicher Korruption: „Wir werden die Kontrolle der Finanzen verschärfen und neue Gesetze gegen die Korruption erlassen.“ Er betonte, das IWF-Programm werde helfen, Glaubwürdigkeit zu schaffen, um damit auch Kredite von anderen Gebern und Finanzinstituten zu erhalten. Sri Lanka hatte im vergangenen Jahr angesichts der Krise seinen Schuldendienst ausgesetzt.

Interview mit Julian Chellappah, Regionaldirektor der Hilfsorganisation Save the Children in Colombo, Sri Lanka.

Während wir sprechen, läuft in Sri Lanka gerade ein neuer Streik der Gewerkschaften: Schulen sind geschlossen, die Banken ebenso, große Teile des öffentlichen Lebensstehen mal wieder still. Die Menschen protestieren also weiterhin – sie fordern, dass die versprochenen Veränderungen endlich umgesetzt werden: Reformen des Regierungs- und des Wirtschaftssystems. Und dass die alten Eliten den Platz frei machen und die Verantwortlichen endlich eine gute Antwort auf diese schreckliche Krise finden.

Es gibt wieder Benzin, jedoch ist es rationiert. Wer tankt, muss sich über einen QR-Code registrieren. Für viele Tuk-Tuk-Fahrer zum Beispiel sind diese limitierten Benzinmengen zu wenig, um damit Kundschaft zu fahren, sie können also ihrem Geschäft nicht mehr nachgehen. Für Familien wiegt die Tatsache, dass ihr Einkommen derart geschrumpft ist, dass sie sich keinen Strom, keine Medikamente mehr leisten können, besonders schwer.

Für sie ist die Lage hoffnungslos. Die jährliche Inflationsrate liegt bei mehr als 50 Prozent, Preise für Lebensmittel sind um 90 Prozent gestiegen, das heißt: Ein Drittel der Familien ist von Ernährungsunsicherheit betroffen, hungert, lässt Mahlzeiten aus. Vor allem die Eltern: Die Hälfte der von uns befragten Mütter und Väter verzichten für ihre Kinder auf ihr eigenes Essen oder können ihren älteren Kindern nicht dasselbe bieten wie den kleineren, müssen priorisieren. Es fällt ihnen schwer, gute Lebensmittel zu finden: Joghurt oder Eier sind sehr teuer. Ein Mädchen erzählte uns: »Ich träume von Joghurt. Aber meine Eltern können es sich nur leisten, meinen jüngeren Geschwistern Joghurt zu kaufen, also bekomme ich keinen.«

Seit der massiven Geldentwertung versuchen sie, so wenig wie möglich mit Geld zu bezahlen. Verwenden lokale Produkte, machen Tauschgeschäfte im Dorf, sie sind beeindruckend resilient. Wir unterstützen etwa 90.000 Familien einerseits mit Geld, andererseits helfen wir ihnen mit Material, damit sie Gemüsebeete im Garten aufbauen und ihr eigenes Gemüse ziehen können.

Sri Lanka hatte schon vor der Krise hohe Hunger- und Mangelernährungsraten bei Kindern. Das verschärft sich nun. Die Gesundheit der Kinder ist stark beeinträchtigt. Eltern berichten uns von Töchtern und Söhnen, die nicht mehr durchschlafen können. Deren Appetit und Verhalten sich verändern, da geht es dann in Richtung psychosoziale Auffälligkeiten. Kinder fallen öfter aus dem Schulsystem raus oder lernen weniger, weil sie einen leeren Bauch haben. Haben eine höhere Gefahr, missbraucht oder Gewalt ausgesetzt zu werden. Solche ökonomischen Krisen sind auch prädestiniert für Kinderarbeit. Wenn jemand krank wird, können sich viele den Transport zum nächsten Arzt nicht mehr leisten. Viele medizinische Zentren sind mangelhaft ausgerüstet. Was auch heißt, dass Frauen bei der Geburt schlechter versorgt werden, ebenso Neugeborene.

Alle hoffen auf den Tourismus und dass damit das Bruttosozialprodukt gesteigert werden kann. Dann gibt es die Aussicht, dass ein finanzieller Rettungsschirm die Lage in Sri Lanka entspannen wird. Wie es aussieht, wird China Sri Lanka nun doch ein Hilfspaket in Höhe von 2,9 Milliarden Dollar zusichern, das wäre eine Erleichterung. Es ist in dieser Situation sehr wichtig, dass die internationale Gemeinschaft zusammenkommt und reagiert. Dass andere Länder nach vorn treten und den Menschen in Sri Lanka helfen, damit die Kinder dieses Landes nicht zu einer verlorenen Generation werden.

Von Maria Stöhr, Bangkok SPIEGEL online, 18.03.2023

März 2023

Sri Lanka befindet sich im Generalstreik, es gibt keinen Strom, keine öffentlichen Verkehrsmittel, Schulen sind geschlossen, sogar die ÄrztInnen streiken. „Die BewohnerInnen von Sri Lanka erlebten am Mittwochmorgen eine böse Überraschung. Ganz gleich, wie oft sie den Lichtschalter betätigten, es blieb dunkel“, erklärt Euronews-Reporter Zoltan Siposhegyi.  „Die größte Gewerkschaft des Landes hatte ihr Versprechen eingelöst und einen eintägigen Generalstreik ausgerufen. Dem schlossen sich später auch Ärzte, Polizisten, Grenzschutzbeamte, Lehrer, Bahn- und Busbedienstete an.“ Die Gewerkschaften fordern von der Regierung, vom Internationalen Währungsfonds (IWF) unterstützte Reformen zurückzunehmen. Außerdem wollen sie, dass die kürzliche Einführung höherer, progressiver Steuersätze rückgängig gemacht wird. Zinssätze sollen gesenkt und etwas gegen hohe Strompreise unternommen werden. „Letztes Jahr war Benzin sehr billig, jetzt ist es sehr teuer“, sagt ein Taxifahrer. „Vor zwei Jahren hab ich im Monat 20 % für Strom ausgegeben, jetzt sind es 60 %. Zu hohe Preise, kein gutes Gehalt“, sagt ein Mann auf er Straße.  Der hoch verschuldete Inselstaat südlich von Indien wartet auf die Freigabe eines vierjährigen Hilfsprogramms des Internationalen Währungsfonds in Höhe von 2,9 Milliarden US-Dollar. Die Regierung Sri Lankas hat laut eigenen Angaben alle Bedingungen des IWF erfüllt. https://static.euronews.com/articles/stories/07/46/57/76/773x435_cmsv2_37456379-3fff-5bf6-bf8a-1ab2f34c267e-7465776.jpg

Einen hervorragenden Überblick über die aktuelle Lage in Sri Lanka bietet diese Seite:

Das Paradies ist pleite: Sri Lanka findet keinen Ausweg aus der Krise

https://www.zdf.de/nachrichten/politik/sri-lanka-bankrott-iwf-china-100.html

4.Februar 2023 – 75. Jahrestag der Unabhängigkeit

Präsident Ranil Wickremesinghe nimmt an den Feierlichkeiten zum 75. Unabhängigkeitstag des Landes im Galle Face Green in Colombo teil

Als Ceylon am 4. Februar 1948 die Unabhängigkeit erlangte, galt das Land als Vorbild in Asien. Im Gegensatz zu anderen Ländern verlief der Übergang gewaltfrei, die Alphabetisierungsrate war mit 58 Prozent die höchste in Asien, die Gesundheitsversorgung war umfassend, und die Lebenserwartung lag mit 54 Jahren nur knapp unter derjenigen Japans. Ceylon schien eine der vielversprechendsten neuen Nationen zu sein. 1964 sagte Singapurs Staatsgründer Lee Kuan Yew, er hoffe, Singapur werde eines Tages wie Ceylon sein. (Quelle: NZZ)

Heute sind die wenigsten Bewohner des Inselstaats angesichts der tiefen Wirtschaftskrise aber in Festlaune. Viele Buddhisten und christliche Geistliche hatten einen Boykott der Feier in der Hauptstadt angekündigt und Aktivisten und andere brachten ihre Wut darüber zum Ausdruck, was sie in einer Zeit schwerer Wirtschaftskrise als Geldverschwendung ansehen. Trotz der Kritik marschierten bewaffnete Truppen entlang der Hauptpromenade in Colombo, präsentierten militärische Ausrüstung, während Marineschiffe auf dem Meer segelten und Hubschrauber und Flugzeuge über die Stadt flogen. Der katholische Pfarrer Cyril Gamini nannte die diesjährige Zeremonie zum Gedenken an die Unabhängigkeit von der britischen Herrschaft ein „Verbrechen und Verschwendung“ in einer Zeit, in der das Land solche wirtschaftliche Not erlebt.

Schuldentilgung und Innovations

21.01.2023 Das von einer schweren Wirtschaftskrise erschütterte Sri Lanka hat sich im Bemühen um eine Restrukturierung seiner Staatsschulden die Unterstützung eines wichtigen Gläubigers gesichert. Indien unterstütze Sri Lankas Plan zur Umschuldung, sagte der indische Außenminister Subrahmanyam Jaishankar am Freitag. „Indien hat entschieden, nicht auf andere zu warten, sondern das zu tun, von dem wir denken, dass es das Richtige ist“. Indien gehört neben China und Japan zu den größten bilateralen Kreditgebern Sri Lankas. Sri Lankas Schulden bei China machen nach Angaben aus Colombo knapp 20 % der Auslandsschulden oder knapp 7 Mrd. Dollar aus. Zudem schuldet Sri Lanka Indien rund 1 Mrd. Dollar. Präsident Ranil Wickremesinghe sagte zuletzt, es gebe nach Gesprächen mit den Kreditgebern China und Japan positive Signale. (Börsen-Zeitung)

Auf dem Weltwirtschaftsforum in Davos wurde das erstes E-Mobil-Projekt des Unternehmens Cardano (Schweiz) vorgestellt. Es will die Verbrennungsmotoren der in Südost-Asien üblichen Motor-Rikschas – der „TukTuks“ – durch Elektromotoren ersetzen.Das Projekt ist das erste seiner Art auf einer Blockchain-Plattform. Das Projekt namens „eTukTuks“ wird seinen Betrieb zunächst in Sri Lanka aufnehmen. Es soll in naher Zukunft mit Hilfe lokaler Regierungsstellen und wichtiger Industriepartner in vollem Umfang umgesetzt werden. Eins der Ziele von eTukTuk ist die Verringerung der Zahl der 1.200.000 Verbrennungsmotoren, die in dem Land in Betrieb sind. Außerdem wird erwartet, dass sich das Einkommen der Fahrer um 400% erhöht. (Crypto News Flash)

Januar 2023

Keine neuen Nachrichten – sind schlechte Nachrichten! Es bewegt sich offenbar nichts!

Um die Konditionen für Hilfen des Internationalen Währungsfonds (IWF) zu erfüllen, will die Regierung ihr Haushaltsdefizit durch höhere Steuereinnahmen reduzieren. Eine andere Forderung des IWF sind Schuldenerlasse durch die Gläubiger. Indien hat Unterstützung angekündigt, aber ob China da mitmacht ist fraglich. In der überwiegenden Mehrzahl der Zahlungsprobleme gewährten Chinas Banken lediglich eine Streckung der Rückzahlungs-zeiträume bei ansonsten unveränderten Kreditbedingungen. China verfolgt nämlich eine andere Strategie…Siehe dazu:

https://www.daserste.de/information/politik-weltgeschehen/weltspiegel/srilanka-china-100.html

08.10.2022         Das oberste Gericht in Colombo hat die Genehmigung für ein Verfahren gegen den ehemaligen Präsidenten Gotabaya Rajapaksa erteilt. Das erklärte Transparency International am Freitag. Die Organisation hatte die Klage eingereicht. Damit soll Rajapaksa für Misswirtschaft im Zusammenhang mit der schlimmsten Wirtschaftskrise seit Jahrzehnten in dem Land zur Rechenschaft gezogen werden. Das Gericht habe örtlichen Medien zufolge auch die Erlaubnis erteilt, unter anderem gegen zwei Brüder des ehemaligen Präsidenten vorzugehen: Ex-Premierminister Mahinda Rajapaksa und Ex-Finanzminister Basil Rajapaksa. Die Anhörungen sollen im Januar beginnen, hieß es. Die Richter wiesen demnach Zentralbankchef Nandalal Weerasinghe an, Kopien von jeglicher Kommunikation, unter anderen mit dem Ex-Präsidenten und seinen Brüdern, auszuhändigen.   Quelle: https://der-farang.com/de/pages/gericht-laesst-verfahren-gegen-ex-praesidenten-zu

28.09.22    Familien müssen zwischen Essen und Medikamenten entscheiden. Bis zu vier Tage stehen Menschen für Benzin an, Gemüse fehlt in den Läden.

25.09.22    Bei Protesten gegen die Regierung hat die Polizei in Sri Lanka am Wochen-ende mehr als 80 Demonstrant*innen verhaftet. Auf Videoaufnahmen von Samstag ist zu sehen, wie Wasserwerfer einen Protestzug in Colombo gewaltsam auseinandertreiben. Anschließend führten Beamte Protestierende ab, indem sie die Menschen teils auch an Händen und Beinen trugen. Kurz vor dem Beginn der Demonstration wurden Teile der Innenstadt, in der sich Regierungsgebäude der Administration von Ranil Wickremesinghe befinden, zu Hochsicherheitszonen erklärt. Dahinter steht wohl die Befürchtung vor wei-terer Mobilisierung gegen die sich verschlech-ternde wirtschaftliche Lage.     Die Inflationsrate ist auf mehr als 70 Prozent gestiegen.

03.09.22    Sri Lankas Ex-Präsident Gotabaya Rajapaksa wurde am internationalen Flughafen der Hauptstadt Colombo von Ministern und anderen Politikern ehrenvoll mit Blumengir-landen empfangen, wie es in Agenturberich-ten heißt. Der 73-Jährige hatte siebeneinhalb Wochen im Ausland verbracht. Durch Rajapak-sas Rückkehr drohen dem südasiatischen Inselstaat neue Spannungen. Eigens für den ehemaligen Staatschef wurde nach Angaben aus Verteidigungskreisen eine Sicherheits-einheit gegründet, um ihn zu beschützen.

03.09.22    Der Internationale Währungsfonds (IWF) will dem hoch verschuldeten Krisenstaat Sri Lanka mit einem Milliarden-Programm unter die Arme greifen. Beide Seiten einigten sich am Donnerstag auf ein vierjähriges Hilfs-programm im Volumen von 2,9 Milliarden US-Dollar (2,9 Mrd Euro). Voraussetzung sei, dass die Regierung im Gegenzug Reformmaßnah-men umsetzt und sich um eine nötige Um-schuldung seitens seiner Gläubiger bemüht.

Analyst W.A. Wijewardena, ehemaliger Manager der Zentralbank des Landes, sagte AFP, die Regierung werde zahlreiche „schmerzhafte“ Reformen angehen müssen. Der Staat müsse mehr Geld einnehmen – Sri Lanka liegt hier weltweit auf einem der hinteren Plätze. Das dürfte angesichts der wirtschaftlichen Lage schwierig werden, wie Wijewardena weiter sagte. Der IWF rechnet mit einem Rückgang des Bruttoinlandsprodukts um 8,7 Prozent in diesem Jahr.

Laut IWF hat die Regierung in Colombo zugesagt, Subventionen zu streichen. Der neue Präsident Ranil Wickremesinghe kündigte bereits Steuererhöhungen sowie „tiefgreifende Reformen“ an. Die Preise für Kraftstoffe und Strom wurden verdreifacht. Die Inflationsrate betrug im August 64,3 Prozent im Vorjahresvergleich, die Rupie hat in diesem Jahr bereits mehr als 45 Prozent ihres Wertes gegenüber dem Dollar verloren.

17.08.22    https://www.spiegel.de/ausland/sri-lanka-der-krise-ueber-das-meer-entfliehen-a-93fe3586-1733-4cbc-8487-49b8a67c3196#ref=rss

08.08.22  NEW YORK/COLOMBO (dpa-AFX) – Die schwere Wirtschaftskrise in Sri Lanka bedroht nach Einschätzung des UN-Bevölkerungsfonds die Gesundheit von schwangeren Frauen und Mädchen in dem Inselstaat. Wie die Vereinten Nationen am Montag in New York mitteilten, steht das einst robuste Gesundheitssystem angesichts von Energieknapp-heit und Mangels an lebenswichtigen Gütern einschließlich Medikamenten „am Rande des Zusammenbruchs“. Für lebensrettende Gesundheitsmaßnahmen seien binnen eines halben Jahres 10,7 Millionen Dollar (etwa 10,5 Millionen Euro) erforderlich. Betroffen seien mehr als zwei Millionen Frauen.                                                Jahrelange Bemühungen hätten die Lage für Frauen und Mädchen in dem einst aufstreben-den Land stetig verbessert. So brächten inzwischen etwa 99 Prozent der Frauen ihre Kinder in Gesundheitseinrichtungen mit Hilfe medizinischen Personals zur Welt. „Aber diese Errungenschaft ist jetzt bedroht“, warnte der Bevölkerungsfonds. Auch Schutz-mechanismen für Frauen und Mädchen in Not seien durch die schwerste Wirtschaftskrise seit Jahrzehnten beeinträchtigt.

07.08.22   Im Krisenland Sri Lanka hat die Opposition ein Ende des Ausnahmezustands und der Verhaftungen von Demonstranten gefordert. Die „Einschüchterung und willkürliche Festnahme von Demonstranten“ müsse aufhören, wurde Oppositionsführer Sajith Premadasa nach einem Treffen mit Präsident Ranil Wickremesinghe vom Online-Magazin „EconomyNext“ zitiert.

05.08.22    Das hochverschuldete Sri Lanka wird nach Einschätzung des neuen Präsidenten Ranil Wickremesinghe um Steuererhöhungen nicht herumkommen. Die Kluft zwischen Arm und Reich sei in den vergangenen zehn Jahren gewachsen, sagte der 73-Jährige am Freitag laut dem sri-lankischen Online-Magazin EconomyNext auf einem Wirtschaftsforum in Colombo. „Das bedeutet auch, dass wir eine höhere Besteuerung haben müssen, sogar eine Besteuerung auf Vermögen“.

02.08.22    Mehrere hunderttausend Kinder litten unter Unterernährung, erklärte am Montag das Ministerium für Frauen- und Kinderangelegenheiten. In Sri Lanka sind wegen der aktuellen Wirtschaftskrise neun von zehn Menschen auf staatliche Hilfe angewiesen. Der nahezu bankrotte Staat ist wegen der dramatischen Wirtschaftskrise nicht mehr in der Lage, die Sozialhilfe aufrechtzuerhalten.

Wegen der schwersten Wirtschaftskrise erlebt der Inselstaat eine verstärkte Abwanderung vor allem ungelernter Arbeitskräfte. Im ersten Halbjahr dieses Jahres seien bereits mehr Menschen für Jobs ins Ausland gegangen als im gesamten Vorjahr, berichtete die sri-lankische Zeitung „Daily Mirror“ am Dienstag unter Berufung auf die Zentralbank. Mit Überweisungen ihres im Ausland verdienten Geldes finanzieren sie ihre Familien in der Heimat. Die Wirtschaftskrise habe verheerende Auswirkungen auch auf die wichtige Mittelschicht des Landes, berichtete das „Wall Street Journal“ am Dienstag aus Colombo.

31.07.22  

China hat in Sri Lanka neben Flughäfen, Straßen und Bahnlinien auch den Hafen von Hambantota finanziert und für 99 Jahre gepachtet. Dort wird am 11. August ein chinesisches Spionageschiff erwartet. Indien befürchte, dass der Hafen Peking künftig als Militärbasis dienen könnte, berichtete der sri-lankische Fernsehsender News First.

https://www.nzz.ch/wirtschaft/sri-lanka-chinesische-milliardenprojekte-und-investitionsruinen-ld.1704971

28.07.22 Eine Woche nach der Niederschlagung von Massenprotesten in Sri Lanka brodelt es in dem zahlungsunfähigen Inselstaat weiter. Die Führung unter dem neuen Präsidenten Ranil Wickremesinghe geht energisch gegen Teilnehmer der Protest-bewegung vor. Regierungsgegner gehen weiterhin auf die Barrikaden – mehrere Protagonisten der Protestbewegung werden festgenommen. Die Opposition spricht von einer Hexenjagd. Die Opposition wirft der neuen Führung Machtmissbrauch vor. Die Regierung „rächt sich an Personen, die Proteste organisiert haben“, kritisierte der Oppositionsabgeordnete im Parlament M. A. Sumanthiran (58). „Möglicherweise hat es Personen gegeben, die Schäden an Eigentum verursacht haben, und sie könnten festgenommen werden. Aber hier ist die Regierung auf einer Hexenjagd auf reine Demonstranten“, sagte er.

Mindestens ein Dutzend Rädelsführer seien bereits festgenommen worden, sagte ein Vertreter der Polizei am Freitag der Deutschen Presse-Agentur in Colombo. Man habe mindestens 300 weitere Personen identifiziert, aber noch nicht verhaftet. Der Staat wirft den Regierungsgegnern Gewalt und Beschädigung von Staatseigentum vor. Auch hätten sie die Privatresidenz von Wickremesinghe angezündet.

27.07.22  Das srilankische Parlament hat zugestimmt, den Ausnahmezustand um einen Monat zu verlängern. Der Ausnahmezustand gibt dem geschäftsführenden Präsidenten Wickremesinghe weitreichende Befugnisse für zusätzliche Vorschriften zur öffentlichen Ordnung in Sri Lanka. Dazu zählen unter anderem Demonstrations- und Versammlungs-beschränkungen.

Im April letzten Jahres verbot die sri-lankische Regierung die Einfuhr von chemischen Düngemitteln und Pestiziden. Ihr Ziel war es, den ökologischen Landbau zu fördern. Diese Politik grenzte an eine Psychose, denn 90 Prozent der Landwirte in Sri Lanka verwenden Düngemittel, und sie sagten zu Recht voraus, dass ihre Ernteerträge ohne diese modernen Hilfsmittel stark zurückgehen würden. Die Produktion von Reis, Tee und Kautschuk wurde durch die ideologische Verordnung eines ökologischen Landbaus ernsthaft unter-graben.                                                                                                                        Man muss sich das vor Augen führen. Im Jahr 2019 produzierte Sri Lanka 3,5 Milliarden Kilogramm Reis. Im Jahr 2021, nach dem Düngemittelverbot, ging die Reisproduktion nach Schätzung einiger Experten um 43 Prozent zurück. Selbst auferlegter Hunger, um die Götter des Umweltschutzes zu besänftigen. Siebzig Prozent der 22 Millionen Einwohner Sri Lankas sind direkt oder indirekt von der Landwirtschaft abhängig, so dass die gravierenden Veränderungen in der Landwirtschaft vorhersehbar schwerwiegende Folgen für die gesamte Gesellschaft hatten. Sie trugen dazu bei, dass die Inflation gegen Ende des vergangenen Jahres mit 8,3 Prozent ein 47-Monats-Hoch erreichte, wobei die Inflation bei Lebensmitteln 11,7 Prozent betrug. Das Düngemittelverbot wurde im November zurück-genommen, als seine verheerenden Auswirkungen deutlich wurden, aber da war es schon zu spät. „Die Ernteerträge werden sich möglicherweise nicht mehr erholen“, prognostizierte Reuters, was sich als richtig herausstellte.

Zum einen sind da die Auswirkungen der weltweiten Corona-Lockdowns. Sie haben die Tourismus-Industrie Sri Lankas erschüttert. Der Tourismus brachte Sri Lanka im Jahr 2018 4,4 Milliarden Dollar ein, was 5,6 Prozent des BIP ausmachte. Im Jahr 2020 trug der Tourismus nur noch 0,8 Prozent zum BIP bei. Und auch 2021 hat sich die Lage nicht wie erwartet verbessert.

22.07.22  Militär und Polizei haben wenige Stunden nach der Vereidigung des neuen Präsidenten  ein Protestcamp regierungskritischer Demonstranten gewaltsam geräumt. Das Vorgehen sorgt international für Kritik.

20.07.22 Ranil Wickremesinghe ist vom Parlament zum neuen Präsidenten Sri Lankas gewählt worden. Der bisherige Regierungschef und Übergangspräsident wird für die restliche Amtszeit des zurück-getretenen Staatschefs Gotabaya Rajapaksa die Geschicke des Landes leiten. Er kann viel politische Erfahrung vorweisen. Allerdings forderten Menschen während der Massenproteste in den vergangenen Wochen, dass sich der 73 Jahre alte Interimspräsident aus der Politik zurück-zieht. Ob er die Wirtschaft wieder in Schwung bringen und die Proteste beruhigen kann, ist ungewiss. Das Problem ist: Er ist Teil der alten poli-tischen Elite des Inselstaats. Die Demonstranten sehen in ihm einen Verbündeten des früheren Staatsoberhauptes.

Juli 2022 Die Massenproteste am 9. Juli übertrafen alle Erwartungen. Hunderttausende demonstrierten in Colombo ihren Unmut. Viele kamen mangels Benzin zu Fuss, zum Teil von weit her. Junge, Alte, Städter, Leute aus dem Dorf. In Colombo schien ein riesiges Volksfest im Gang zu sein, gewaltige Chöre verlangten lauthals den Rücktritt von Präsident Gotabaya Rajapaksa und des von diesem im Mai eingesetzten neuen Premierministers Ranil Wickremesinghe. Der Präsident hatte sich am Morgen noch in seiner Residenz aufgehalten in der irrigen Meinung, er sei dort geschützt. Doch die Sicherheitskräfte hatten dem Ansturm der Massen nichts entgegenzusetzen.

Die Bilder gingen um die Welt. Der Staatspräsident Rajapaksa war zu diesem Zeitpunkt auf einem Schiff der Marine auf die Malediven geflüchtet und weiter nach Singapur. Am Abend gab er bekannt, dass er vier Tage später zurücktreten werde.

Zu verdanken haben die Aktivisten diesen unerwarteten Erfolg ihrer Entschlossenheit und der Überzeugung, dass der Machtwechsel friedlich erfolgen müsse. «Aragalaya» heisst auf singhalesisch Kampf, aber auch Anstrengung. Jayadeva Uyangoda, ein emeritierter Politikwissenschafter: «Das war ein Wendepunkt in der Geschichte Sri Lankas.» Trotzdem ist er nicht sehr optimistisch: «Die Demokratie in Sri Lanka war und ist in einer ernsthaften Krise. Es braucht grundlegende Reformen und eine neue politische Klasse. Die Protestbewegung kann dazu beitragen. Aber die Politiker werden versuchen, diese zu brechen.»

Zum besseren Verständnis:

https://www.nzz.ch/podcast/der-clan-der-sri-lanka-kaputtmachte-nzz-akzent-ld.1693849

https://www.nzz.ch/international/was-steckt-hinter-der-protestbewegung-in-sri-lanka-ld.1694006

https://www.spiegel.de/ausland/sri-lanka-im-schlimmsten-fall-droht-anarchie-auf-den-strassen-a-03ef1e90-c042-4980-9ce6-6ca8b12419a2#ref=rss

https://www.tagesschau.de/ausland/sri-lanka-proteste-113.html

https://www.tagesschau.de/ausland/asien/sri-lanka-proteste-117.html

https://www.spiegel.de/ausland/sri-lanka-im-schlimmsten-fall-droht-anarchie-auf-den-strassen-a-03ef1e90-c042-4980-9ce6-6ca8b12419a2#ref=rss

https://www.tagesschau.de/ausland/sri-lanka-proteste-113.html

Nachdem bekannt wurde, dass der unpopuläre Premierminister Ranil Wickremesinghe bis zur Wahl eines neuen Präsidenten als Interims-Staatsoberhaupt fungieren soll, gab es in Colombo erneut gewaltsame Zusammenstöße zwischen Polizei und Demonstranten, wie der der asiatische Presse-dienst Ucanews (Donnerstag) berichtet. Nach Massenprotesten am Samstag war Rajapaksa auf die Malediven geflüchtet.

Erzbischof begrüßt Rücktritt des Präsidenten

Colombos Erzbischof, Kardinal Malcolm Ranjith, forderte die Demonstranten laut Ucanews auf, das Erreichte nicht durch unüberlegte Aktionen zu gefährden. Er rief seine Landsleute zudem auf, derzeit nicht zu weiteren Protesten in die Hauptstadt zu kommen. Gemeinsam mit führenden buddhistischen Mönchen unterstützt der Kardinal seit Monaten die Forderung der Demonstranten nach dem Rücktritt von Präsident und Regierung.

UNO-Generalsekretär Antonio Guterres rief Sri Lankas Politiker am Donnerstag zu einer friedlichen Lösung des Konflikts auf. „Es ist wichtig, dass auf die Ursachen des Konflikts und die Beschwerden der Demonstranten eingegangen wird. Ich fordere alle Parteiführer auf, einen friedlichen und demokratischen Übergang im Geist des Kompromisses anzugehen“, twitterte Guterres. Wenn sich die Parteien auf eine Regierung der nationalen Einheit einigen können, soll das Parlament am Mittwoch (20. Juli) einen neuen Präsidenten wählen. Sollte es keine Einigung geben, wollen führende buddhistische Mönche eigene Kandidaten vorschlagen.

Ranil Wickremesinghe, Premierminister von Sri Lanka und Übergangspräsident verhängte unterdessen eine Ausgangssperre über Colombo und ließ den Zugverkehr in die Hauptstadt einstellen. Laut Berichten sri-lankischer Medien wurde beim Obersten Gericht der Erlass von Ausreiseverboten für zwei Brüdern des geflohenen Präsidenten sowie für den Chef der Zentralbank beantragt.

Sri Lankas faktisch entmachteter Präsident Gotabaya Rajapaksa hat den Krisenstaat in der Nacht zu Mittwoch per Flugzeug verlassen. Eine Militärmaschine mit Rajapaksa und seiner Ehefrau an Bord landete am frühen Morgen auf dem Hauptstadtflughafen der Malediven in Male, wie die dortigen Behörden bestätigten. Der 73-Jährige war zuletzt zur Zielscheibe von Massenprotesten in seinem Land geworden, wo Demonstranten seinen Rücktritt und den des Premierministers Ranil Wickremesinghe forderten.

15.07.22              Zwei Tage nach seiner Flucht außer Landes ist Sri Lankas Präsident Gotabaya Rajapaksa offiziell zurückgetreten. Parlamentschef Mahinda Yapa Abeywardena sagte in der Hauptstadt Colombo, er habe das formelle Rücktrittsschreiben Rajapaksas per Post erhalten und akzeptiert. In Colombo löste die Nachricht von Rajapaksas Rücktritt Jubel aus. Demonstranten tanzten und zündeten Böller. „Wir sind die wahre Macht in diesem Land“, sagte einer von ihnen. 

In den vergangenen Tagen hatten Mitglieder der sri-lankischen Protestbewegung mehrere Regierungsgebäude gestürmt und diese tagelang besetzt. Rajapaksa war kurz vor der Erstürmung des Präsidentenpalasts durch Zehntausende Demonstranten am Samstag aus Colombo geflohen. Am Mittwoch setzte er sich dann gemeinsam mit seiner Frau auf die Malediven ab. Einen Tag später flog das Präsidentenpaar weiter nach Singapur.  

Das Parlament will binnen sieben Tagen neuen Präsidenten bestimmen.  Als geschäftsführender Präsident fungiert seit Rajapaksas De-facto-Entmachtung der bisherige Premierminister Ranil Wickremesinghe. Er soll nun als Interimsstaatschef vereidigt werden. Am Samstag soll dann das Parlament in Colombo zusammenkommen, um den Prozess für die Wahl eines neuen Staatschefs zu beginnen. Er hoffe, dass dieser Prozess binnen sieben Tagen abgeschlossen sein werde, sagte Parlamentschef Abeywardena. Die Protestbewegung forderte zuletzt auch den Rücktritt Wickremesinghes, den sie wie Rajapaksa für die schwere Wirtschaftskrise im Land verantwortlich macht.

Derzeit verhandle das Land mit dem Internationalen Währungsfonds (IWF) über ein Hilfspaket, sagte Wickremesinghe. Der Erfolg der Verhandlungen hänge davon ab, ob bis August ein Umschuldungsplan mit den Gläubigern abgeschlossen werden könne, mit dem der IWF einverstanden sei. „Wir verhandeln nun als ein bankrottes Land“, fügte der Regierungschef hinzu. Der IWF hatte in der vergangenen Woche erklärt, Sri Lanka müsse mehr dafür tun, seine Finanzen in Ordnung zu bringen und das Haushaltsdefizit zu beheben, bevor ein Hilfspaket auf den Weg gebracht werden könne. Ausserdem müsse es die Korruption stärker bekämpfen und teure Energie-Subventionen abschaffen, die den Staatshaushalt lange Zeit belastet haben.

Nur wenige Stunden nach Wickremesinghes Äusserungen forderte die in Sri Lanka einflussreiche katholische Kirche, Präsident Gotabaya Rajapaksa müsse die Verantwortung für die Krise übernehmen und zurücktreten. Sein Festhalten an der Macht sei „das grösste Hindernis für die Befreiung des Landes“, erklärte Kardinal Malcolm Ranjith.

Auf Twitter kursiert in diesen Tagen ein bitterer Witz über Gotabaya Rajapaksa, den Ministerpräsidenten von Sri Lanka, der sich weiter an seinen Posten klammert. Man sieht Rajapaksa an seinem Schreibtisch sitzen, dazu die Sprechblase: «Zu erledigen, bevor ich das Büro verlasse … », dann die Optionen: 1. … das Land ruinieren, 2. … das Chaos vergrössern und 3. … die Spaltung des Landes vorantreiben – «wenn ich jemals das Büro verlassen sollte.»

https://de.rt.com/kurzclips/video/142247-wie-sollen-wir-burger-uberstehen/

„Das Verschwinden der Goldbestände der Zentralbank muss eines Tages untersucht werden. Die Menschen müssen wissen, wer dieses Geld verschwendet hat.“ Sri Lanka hat laut Wirtschaftsmedien in den vergangenen Monaten schrittweise fast seine gesamten Goldreserven verkauft.

April 2022 Regierung verhängt Ausgangsperre

Diesmal nicht wegen der Coronakrise im Land, sondern wegen anhaltender heftiger Pro-teste der Bevölkerung gegen die Regierung. Der nationale Notstand wurde ausgerufen und eine landesweite Sperre für soziale Medien wie Twitter, Face-book, WhatsApp, YouTube und Instagram verhängt.  

In Sri Lanka wächst die Wut über den Umgang  mit der schlimmsten Wirtschaftskrise seit 1948. Zuvor war bereits die Polizei- und Militärpräsenz auf den Straßen erhöht worden. Damit besitzt der Präsident weit-reichende Sicherheitsbefugnisse. Auch die Streitkräfte haben nun größere Befugnisse, Menschen festzunehmen und zu inhaftieren. Trotzdem finden im ganzen Land weiter Demonstrationen statt, da die Unzufriedenheit wächst. Das Büro des Präsidenten dagegen verlautbarte:  «Die Proteste wurden von extremistischen Kräften angeführt, die einen  arabischen Frühling fordern, um Instabilität in unserem Land zu schaffen». Inzwischen wurde der Notstand wieder aufgehoben.

Die Not greift um sich

In den vergangenen zwei Jahren sind die Devisenreserven des Landes um 70 Prozent ge-sunken, so dass Sri Lanka kaum die Einfuhr von lebenswichtigen Gütern wie Lebensmittel, Medikamente, Treibstoff und Dünger bewältigen bzw. bezahlen kann. Zuvor hatte lähmende Dürre die Landwirtschaft heimgesucht.  Beim tagelangen Warten vor Tankstellen, teils in sengender Hitze, starben im März in kurzer Zeit vier Männer. Drei von ihnen sollen beim Warten Herzinfarkte erlitten haben, ein vierter sei von einem anderen Mann erstochen worden, nachdem ein Streit über Vordrängeln eskaliert war. Viele der etwa 22 Millionen Einwohner sind auf ihre Mofas, Tuk-Tuks, auf mobile Küchen und Bringdienste angewiesen, um im Alltag durchzukommen. Lange Schlangen vor den Geschäften, weil Menschen etwa um Milchpulver oder Speiseöl anstehen. Supermärkte können Lebensmittel nur schwer kühlen, Märkte und Geschäfte sind geschlossen, Busse und Bahnen fahren nicht. So kommen die Einwohner nur schwer zur Arbeit.                             

Das Tourismusgeschäft, ein wichtiger Wirtschaftsfaktor des Landes, liegt brach seit den Osteranschlägen 2019 und den durch Covid bedingten Einreiseverboten während der vergangenen zwei Jahre. Hotels können die Gäste jetzt nicht ausreichend versorgen. Täglich kommt es zu Stromausfällen, mehrfach und bis zu 13 Stunden. Die Menschen schwitzen in ihren Apartments ohne Klimaanlagen, nachts fällt die Temperatur derzeit nur wenig, von etwa 31 auf 25 Grad. Krankenhäuser müssen Operationen absagen. „Wenn wir jetzt nichts tun, sterben sehr bald sehr viele Menschen“, sagt der Sprecher der Vereinigten Ärzte-Organisation auf Sri Lanka, „wir brauchen jetzt Hilfe, von Ärzten im Ausland, von Auswanderern, die spenden.“ Die Straßenbeleuchtung ist abgeschaltet. Durch den Mangel an Papier werden einige Wochenzeitungen nur noch monatlich und mit insgesamt weniger Seiten gedruckt. Prüfungen an Schulen mussten verschoben wer-den, Prüfungspapiere mit den Fragen hätten nicht gedruckt werden können. In einigen Teilen des Landes haben die Menschen Probleme, zur Arbeit zu kommen und sich   mit den Dingen des täglichen Bedarfs einzudecken. Die Wirtschaft liegt am Boden.

Die Inflation steigt, die Währung fällt, der Staat ist zahlungsunfähig

Laut der Zentralbank von Sri Lanka stieg die Lebensmittelinflation auf jetzt 30 Prozent von 17,5 Prozent in November 2021. Hier besonders die Preise für frisches Gemüse, Fisch und grüne Chilis. 1 kg Reis, eines der Hauptnahrungsmittel in Sri Lanka, kostet umgerechnet 0,93 Euro. In Deutschland bezahlt man 2,50 Euro, also 2,7 mal so viel. Allerdings liegen die offiziellen durchschnittlichen Monatseinkommen in Deutschland dreizehn mal höher als in Sri Lanka. In den ärmeren Familien gibt es jetzt nur zwei Mahlzeiten am Tag statt drei.          Die Non-Food-Inflation stieg von 6,4 auf 7,5 Prozent. Betroffen davon sind hauptsächlich die Kosten für Trans-port (Benzin, Diesel, Taxi/Dreirad und Gebühren). „Meine monatlichen Kosten lagen normalerweise bei 30.000 Rupien (rund 92 Euro) im Monat. In diesem Monat habe ich schon 83.000 Rupien (rund 254 Euro) ausgegeben“, klagt Vani Susai, ein 31 Jahre alter Schullehrer. Seine Einkünfte liegen hingegen nur bei 55.000 Rupien im Monat.

Die Regierung bat zuletzt den Internationalen Währungsfonds (IWF) um Hilfe und nimmt bei verschiedenen Ländern immer   wieder neue Kredite auf. Ratingagenturen warnen bereits vor einem Staatsbankrott. Der Handel an der Börse wurde gestoppt.   Die srilankische Währung befindet sich im freien Fall. Allein im März verlor die Rupie im Vergleich zum Dollar 40 Prozent an Wert. Jetzt hat die Regierung zum ersten Mal die Zahlungsunfähigkeit der Auslandsschulden erklärt. Das Eingeständnis sei der „letzte Ausweg“, nachdem Sri Lanka über keine ausländischen Devisen mehr verfüge, um Güter zu importieren. Das Land hat nach Angaben der Zentralbank Schulden in Höhe von mehr als 50 Milliarden Dollar.

Schwere Fehler der Vergangenheit

Die Schuldenkrise rührt zum Teil von Infrastrukturprojekten her, die mit ausländischen Krediten finanziert wurden, sich aber nicht rentieren. Jetzt fehlen Devisen und Ideen, wie die Krise zu lösen ist.

Die Finanzprobleme des Landes sind zum Teil aber auch hausgemacht und haben vor allem mit einem Namen zu tun: Rajapaksa. Mahinda Rajapaksa ist Premierminister Sri Lankas, sein Bruder Gotabaya, kurz Gota, seit 2019 Präsi-ent des Landes. Ein weiterer Bruder, Basil, war bis zum vergangenen Sonntag Finanzminister, der ältere Bruder Chamal Landwirt-schaftsminister, ehe beide Konsequenzen aus dem öffentlichen Druck zogen und zurück-traten. Mit ihnen das gesamte Kabinett, nachdem es trotz des Ausnahmezustandes zu weiteren Protesten im ganzen Land kam. Der Präsident  und der Ministerpräsident, die beiden Brüder, blieben im Amt. Präsident Gotabaya  will nun auch die Opposition an der Regierung beteiligen, doch die fordert seinen Rücktritt. Sie wirft Ihnen ohnehin vor, demokratische und zivilgesellschaftliche Freiheiten einzuschränken und einen buddhistisch-chauvinistischen Nationalismus zu fördern. Dazu kommt die Korruption. Kein Wunder, dass auch Rajapaksas in Datenleaks wie jüngst den „Pandora Papers“ gefunden wurden – wo es darum geht, dass Reiche ihr Geld in Steueroasen verstecken.

Auch Priester und Nonnen protestieren 

Der Erzbischof von Colombo, Malcolm Ranjith, führte rund 700 Priester und Nonnen bei einem Solidaritätsmarsch in Sri Lankas Hauptstadt an. „Unsere korrupten politischen Anführer müssen für die Schreie des Volkes empfänglich sein“, sagt der katholische Priester Pater Cecil Joy Perera auf der Kundgebung. Die katholische Bischofskonferenz des mehrheitlich buddhistischen Landes rief die Politiker zur Einheit auf. Alle Regierungen der vergangenen Jahre seien in unterschiedlichem Maße für die aktuelle Situation verantwortlich, erklärte der Präsident der Bischofskonferenz, Julian Winston Sebastian Fernando.  

„Das Land nähert sich schnell dem Abgrund eines gescheiterten Staates, der dem Volk irreversible Schäden zufügen wird“, warnte der Bischof von Badulla. Kardinal Malcom Ranjith forderte angesichts der Wirtschaftskrise einen völligen Neustart. „Das Land befindet sich heute in einer hoffnungslosen Situation. Das ist das Ergebnis einer Reihe falscher Entscheidungen, die nicht nur von Politikern, sondern auch von Bürgern getroffen wurden“.

Katholiken klagen gegen Antiterrorgesetz – „Verstoß gegen internationale Menschenrechtsstandards“

Katholische Priester, Ordensleute und Menschenrechtler in Sri Lanka beantragen in einer Petition an den Obersten Gerichtshof die Abschaffung des Antiterrorgesetzes. Es erlaubt, Verdächtige ohne richterliche Anordnung zu inhaftieren.

Viele Sri Lanker seien seit über 40 Jahren durch das Antiterrorgesetz „terrorisiert“ worden, sagte der katholische Menschenrechtsaktivist Ruki Fernando. Die von der Regierung vorgesehenen „Änderungen scheinen nicht die Rechte, die Würde und das Wohlergehen der Menschen in Sri Lanka zu gewährleisten, sondern sind eher ein Versuch, die Europäische Union mit Augenwischerei und Besänftigungen zu beruhigen“, sagte Fernando.

Weil das „drakonische Gesetz eklatant gegen inter-nationale Menschenrechtsstandards“ verstoße, könnte es zum Verlust der GSP-Plus-Privilegien führen, die Produkten aus Sri Lanka den zollfreien Zugang auf den EU-Markt garantieren. „Das wäre ein massiver Schlag für die Wirtschaft, die sich bereits in einer Krise befindet“, so Fernando, Berater der Kommission für Gerechtigkeit, Frieden und Bewahrung der Schöpfung des Verbands der katholischen Orden Sri Lankas. Die EU ist nach China der zweitgrößte Handelspartner Sri Lankas. Das mehr als 40 Jahre alte Gesetz erlaubt den Behörden, Verdächtige ohne richterliche Anordnung jahrelang zu inhaftieren, Geständnisse mit Zwangsmaßnahmen bis zur Folter zu erzwingen und das Recht Inhaftierter auf Kaution einzuschränken. Bereits vergangene Woche starteten Oppositionspolitiker, religiöse Führer und Menschenrechts-organisationen die landesweite Unterschriftenkampagne „Gerechtigkeit für alle“ zur Abschaffung des Gesetzes. Unter den Erstunterzeichnern war Kardinal Malcolm Ranjith, Erzbischof von Colombo.

Während und nach dem Bürgerkrieg in Sri Lanka (1983-2009) waren die meisten auf Basis des Gesetzes Inhaftierten Tamilen. Seit den Terroranschlägen vom Ostersonntag 2019 auf drei katholische Kirchen und drei Luxushotels in Colombo sind die meisten PTA-Häftlinge Muslime.  Das Gesetz wird auch gegen Menschenrechtsaktivisten wie Fernando, Katholiken, Medienschaffende, Anwälte und Oppositionelle eingesetzt.(Quelle Domradio.de)        

Am 21. April jährt sich der düstere Tag zum dritten Mal, als am Ostersonntag 2019 in drei Nobelhotels der Hauptstadt Colombo sowie drei Kirchen Sprengsätze detonierten.

Das oberste Gericht von Sri Lanka hat Freisprüche für die hochrangigen Sicherheitsverant-wortlichen er-lassen, denen im Zusammenhang mit den Osteranschlägen von 2019 mit 279 Toten Verbrechen gegen die Menschlichkeit vorgeworfen worden waren. Wie ein Vertreter des Gerichts mitteilte, wies das dreiköpfige Richtergremium alle 855 Anklagepunkte ge-gen den damals im Verteidigungsministerium zuständigen Staatssekretär Hemasiri Fernando und den damaligen Generalinspekteur der Polizei, Pujith Jayasundara, zurück und ordnete die Freilassung beider Männer an.

Bei den dschihadistischen Anschlägen auf drei Kirchen und drei Hotels in Sri Lankas Hauptstadt Colombo im April 2019 waren 279 Menschen getötet worden. Mehr als 500 weitere Menschen wurden verletzt.

Fernando und Jayasundara wurden 2019 festgenommen und blieben vier Monate in Haft, bevor sie auf Bewährung freikamen. Der damalige Chef-Ankläger Dappula de Livera hatte vor dem Gericht ausgesagt, dass die Nachlässigkeit der Angeklagten zu „schweren Ver-brechen gegen die Menschlichkeit“ geführt habe. Demnach hatte es frühzeitig Hinweise darauf gegeben, dass Dschihadisten im April 2019 Bombenanschläge planten. Entsprechende Hinweise des indischen Geheimdienstes seien bereits drei Wochen vor den Anschlägen eingegangen. Auch muslimische Vertreter hatten Polizei und Geheimdienste in Sri Lanka vor dem radikalislamischen Geistlichen Zahran Hashim gewarnt, der die Oster-attentate schließlich anleitete. Jayasundara und Fernando gaben vor einem Parlaments-ausschuss an, dass der damalige Präsident Maithripala Sirisena, der auch Verteidigungs-minister und Minister für Recht und Ordnung war, die Warnungen nicht ernst genommen habe. Ein niederrangiges Gericht hatte es abgelehnt, den Angeklagten Mord zur Last zu legen, weil die Staatsanwaltschaft keine Verbindungen zu den Bombenlegern und kein Tatmotiv nachgewiesen habe. Die katholische Kirche in Sri Lanka fordert ein juristisches Vorgehen gegen Sirisena, der ein enger Verbündeter seines Nachfolgers Gotabaya Rajapaksa ist. Rajapaksa hatte das Präsidentenamt im November 2019 mit dem Ver-sprechen angetreten, die extremistische Gewalt in Sri Lanka zu beenden. (Quelle: ZEIT ONLINE)

Wie geht es weiter ?

Ein Ende der Krise ist derweil nicht in Sicht, Experten gehen davon aus, dass sie sich in den nächsten Wochen und Monaten noch verschlimmern wird. Bis zum Eintreffen des Regens, wahrscheinlich irgendwann im Mai, werden die Stromausfälle weitergehen. Der Wasser-stand in den Stauseen, die die Wasserkraftwerke speisen, sind auf ein Rekordtief gefallen. Aus der Not getrieben ergibt sich daher für viele Einwohner eine neue Situation. In Zeiten des Bürgerkriegs flüchteten viele von ihnen aus Angst vor dem Krieg zwischen 1983 und 2009 in das benachbarte Indien, nun löst der Hunger und die Not eine neue Flüchtlings-welle aus.

 „Dies ist die dunkelste Zeit in diesem Land. Wir können mit unserem Geld nichts anfangen. Kann man Geld essen? Was unsere Regierung macht, tötet uns, ohne uns zu töten.“ „Politicians have ruined our country” schreibt Krishantha, unser Koordinator für die Patenkinder in Mirissa und unser Englichlehrer Lasith meint: „Wegen dieser miserablen Regierung denke ich, dass sich unser Land nicht wird erholen können.“ Eine Abhaltung korrekter Wahlen in zwei Jahren erwarten beide und auch andere, die wir gesprochen haben, nicht.

Weitere Quellen

Video: https://www.zdf.de/nachrichten/heute-journal/sri-lanka-proteste-wegen-wirtschaftskrise-100.html

Audio zur aktuellen Lage: https://c.gmx.net/@334323445330346230/N2Z7hM-9TN-IO0wv6ww1JQ

Lesenswert: https://www.nzz.ch/international/sri-lanka-notstand-und-demonstrationen-auf-der-ferieninsel-ld.1677808

Und in Deutschland ?Tamilen fordern Schutz vor Abschiebung

Die  Menschenketten der tamilischen Exil-Community in über 50 Städten haben im Februar rund 4500 Menschen auf die Straße gebracht, um gegen die anhaltende Repression in Sri Lanka zu protestieren und einen sofortigen und dauerhaften Abschiebestopp aus humani-tären Gründen zu erwirken.

Im Jahr 2021 haben Bund und Länder bislang 42 Asylbewerber in das jahrzehntelange Bürgerkriegsland (1983–2009) abgeschoben – und damit bereits jetzt deutlich mehr als in den vergangenen Jahren. Von den 22 Personen, die Ende März von Düsseldorf nach Sri Lanka gebracht wurden, hat ein  fünfköpfiges Team vor Ort jedoch keine Person ausfindig machen können. „Wir haben nicht herausfinden können, was aus ihnen geworden ist“. Die Vermutung: Dass sie unter dem Vorwand Terrorismusverdacht weggesperrt worden sein könnten. Tatsächlich bietet der 1978 eingeführte Prevention of Terrorism Act (PTA) auch heute noch die Grundlage, Personen monatelang „präventiv“ und ohne Gerichtsprozess festzusetzen.

Die Vereinten Nationen kritisieren die Menschenrechtslage in dem asiatischen Land, die Zunahme der Gewalt und Repression gegenüber ethnischen und religiösen Minderheiten und fordern eine juristische Aufarbeitung der Bürgerkriegs-verbrechen – ein Affront gegen Präsident Gotabaya Rajapaksa, dem sowohl als damaliger Kriegsherr als auch als späterer Verteidigungsminister Kriegsverbrechen zur Last gelegt werden. Seit Rajapaksa im Amt ist, hat sich die Menschenrechtslage vor allem für Tamilen drastisch verschlechtert. Immer wieder kommt es zu Landenteignungen und der Zerstörung von Denkmälern und Kultur-gütern. Die tamilische Bevölkerung brandmarkt diese Maßnahmen als einen anhaltenden »strukturellen Genozid« und ruft die internationale Öffentlichkeit auf und wirbt um Unterstützung

Wie es um die Menschenrechte in Sri Lanka steht, weiß auch die Bundesregierung. Das bezeugt der aktuelle Lagebericht des Auswärtiges Amts von 2021. Darin heißt es unter anderem: „Autoritäre Muster nehmen zu. Minderheiten (ins-besondere Muslime und Tamilen) sehen sich marginalisiert und Anfeindungen ausgesetzt. Festnahmen unter dem drakonischen PTA finden weiterhin statt, NGOs fühlen sich eingeschüchtert und in den Medien herrscht teilweise wieder Selbstzensur.“ Dass die Bundesregierung trotz der deut-lichen Wortwahl im Lagebericht bereit ist, Angehörige der nachweislich gefährdeten Minderheiten der staatlichen Willkür in Sri Lanka auszusetzen, ist absolut unverständlich. Ebenso, wieso die Bundesregierung Anfang des Jahres erst die Resolution des UNHCR unterstützt, eine Woche später aber dennoch einen Sammelabschiebeflug durchführt.

Nach einem aktuellen Bericht des International Truth and Justice Project (ITJP), das Menschenrechtsverbrechen in Sri Lanka dokumentiert, drohen Tamilen in dem Land willkürliche Verhaftungen und schwere Folter. In 15 Fällen sei nachgewiesen, dass Angehörige von Militär und Polizei  14 Männer und eine Frau in Gewahrsam verprügelt, ihnen Brandwunden zugefügt, mit Plastiktüten über dem Kopf die Luft genommen oder sie mit Eisenstangen vergewaltigt haben. Die Regierung bestreitet die Vorwürfe .     (Quelle: taz)

24.10.2020 Das srilankische Parlament hat die umstrittene 20. Änderung der Verfassung des Landes verabschiedet. Der Änderungsantrag, der dem Exekutivpräsidenten weitreichende Befugnisse und eine viel höhere Immunität verleiht, erhielt eine Zweidrittelmehrheit. In der zweitägigen Debatte argumentierte die Opposition darüber, wie dieser Änderungsantrag den srilankischen Staat in einen autoritären Staat verwandeln würde. (siehe auch Report 27)

18.01.2021 Fortgesetzte Repressalien. In Sri Lanka verschlechtert sich die Lage der Minderheiten weiter.

Am 8. Januar ließ die ultranationalistische buddhistisch-singhalesische Regierung unter Präsident Gotabaya Rajapaksa das von Studierenden errichtete Mullivaikkal-Denkmal an der Universität Jaffna in einer Nacht-und-Nebel-Aktion abreißen. Die Skulptur erinnerte an den Genozid an der tamilischen Bevölkerung, insbesondere an das Mullivaikkal-Massaker, bei dem zum Ende des Bürgerkriegs 2009 im Norden Sri Lankas Zehntausende Tamil*innen von Regierungstruppen ermordet wurden. Seit Jahrzehnten versucht die buddhistisch-singhalesische Regierung durch die Zerstörung tamilischer Gedenkstätten, die Erinnerung an ihre Kriegsverbrechen während des von 1983 bis 2009 währenden Bürgerkrieges zu vertuschen und errichtet stattdessen singhalesische triumphierende Kriegsdenkmäler. Damit betreibt sie nicht nur Geschichtsklitterung. Der tamilischen Community sollen so auch ihre eigene Symbolik, Erinnerung und Trauerorte genommen.

Ähnlich repressiv agiert der Staat mittlerweile gegenüber der muslimischen Minderheit, die etwa zehn Prozent der Bevölkerung ausmacht. Das zeigt sich insbesondere im Zwang zur Feuerbestattung, der seit Beginn der Pandemie für alle an Covid-19 verstorbenen Menschen gilt. Die Feuerbestattung ist die gängige Praxis im Buddhismus und Hinduismus, im Islam jedoch verboten. Auch manche Christ*innen lehnen diese ab. Obwohl die Leichen von Covid-19-Toten laut Weltgesundheitsorganisation (WHO) gefahrlos in Gräbern bestattet werden können, behaupten sri-lankische Gesundheitsbehörden, dass das Grundwasser bei einem Begräbnis mit dem Virus kontaminiert werden könnte.. – (nd)

29.01.2021 Die Worte sind scharf, ungewohnt scharf, wie Insider sagen. Diese Woche hat das Uno-Hochkommissariat für Menschenrechte (OHCHR) einen Bericht über Sri Lanka veröffentlicht. Darin heisst es, auch 12 Jahre nach dem Ende des Bürgerkriegs in Sri Lanka würden Initiativen zur Aufarbeitung immer wieder scheitern. «Sri Lanka verleugnet seine Vergangenheit, Bemühungen zur Wahrheitssuche wurden abgebrochen, und höchste Staatsoffizielle weigern sich, vergangene Verbrechen zuzugeben», heisst es weiter. Der Bürgerkrieg in Sri Lanka dauerte 26 Jahre und endete 2009, als das Militär die tamilischen Rebellen der Tamil Tigers auslöschte. Es geschahen Kriegsverbrechen auf beiden Seiten, Zehntausende Zivilisten wurden getötet. Insgesamt forderte der Bürgerkrieg über 100 000 Opfer. – (NZZ)

2020Neues aus Sri Lanka

Die Behörden von Sri Lanka erlauben infolge der COVID-19-Pandemie nur noch die Einäscherung von Toten, bei denen der Erreger SARS-CoV-2 nachgewiesen worden ist. Die Vorschrift ist seit diesem April in Kraft und gilt auch bei Verdachtsfällen. Dies stört Muslime und Christen, die ihre Toten traditionellerweise begraben. „Im Islam wird Feuer mit der Hölle assoziiert und das Verbrennen der Toten wird als Bestrafung angesehen.“ In dem mehrheitlich buddhistischen Inselstaat sind sie aber eine Minderheit.

Die Regierung Sri Lankas argumentiert, dass das Begraben von Toten mit einer nachgewiesenen SARS-CoV-2-Infektion das Grundwasser verschmutzen könne, sodass sich die Krankheit weiter ausbreite. Dafür gibt es jedoch nach Angaben der Weltgesundheitsorganisation (WHO) keine wissenschaftliche Grundlage.

Zuvor hatten Vertreter der muslimischen und christlichen Minderheiten versucht, gerichtlich gegen die Verbrennungsvorschrift vorzugehen. Doch das oberste Gericht des Landes wies zwölf solche Eingaben zurück. In den vergangenen Wochen protestierten immer wieder Dutzende Menschen auf den Straßen.

Buddhistische Mönche, die in dem Land viel Einfluss genießen, fordern die Regierung auf, dem Wunsch der Muslime auf keinen Fall nachzukommen. Besonders seit den islamistischen Anschlägen auf Kirchen und Luxushotels an Ostern des vergangenen Jahres mit mehr als 250 Toten gibt es in dem Land viel Stimmung gegen Muslime.

In Sri Lanka häufen sich Gefängnisaufstände, weil immer mehr Häftlinge an Corona erkranken und die Insassen bessere Schutzvorkehrungen fordern. Unweit der Hauptstadt Colombo ist die Situation nun eskaliert. Infolge einer Revolte in einem Hochsicherheitsgefängnis in Sri Lanka wurden mindestens acht Tote und mehr als 60 Verletzte gemeldet. Sechs der Verletzten sind Gefängnismitarbeiter. Dem Aufstand liegen Forderungen nach besseren Corona-Maßnahmen in Gefängnissen zugrunde.

Die Fischverkäufe waren in Sri Lanka drastisch zurückgegangen, nachdem es im Oktober einen größeren SARS-CoV-2-Ausbruch auf dem Zentralen Fischmarkt am Rande der Hauptstadt Colombo gegeben hatte. Tausende Menschen wurden danach positiv auf den Erreger getestet. Die damit in Verbindung stehenden Corona-Fälle wurden landesweit registriert. Nach der Schließung des Fischmarktes gingen Zehntausende Tonnen Fang verloren. Kunden begannen, einen großen Bogen um Fischstände zu machen. Die Verkäufe sanken rapide. Nun geht es den armen Fischern in Mirissa noch schlechter!

Bei der Präsidentenwahl vor einem Jahre wurde Sirisena abgewählt. Die Tamilen waren massiv an der Stimmabgabe gehindert worden und fühlten sich von seinen Fortschritten in der Bewältigung von Kriegsverbrechen während des Bürgerkrieges 1983 bis 2009 enttäuscht. Gewählt wurde der 71-jährige Gotabhaya Rajapaksa, der Bruder des Vorgängers, der uns wegen massiver Korruption in seinen 15 Jahren Präsidentschaft schon bekannt war. Und prompt hat der neue Präsident enge Angehörige in die Regierung geholt und damit seine eigene Macht und die seiner mächtigen Familie ausgebaut.

Bei  den Parlamentswahlen im August hat seine Partei SLPP dann noch eine klare Zwei-Drittel-Mehrheit errungen und  sein älterer Bruder Mahinda Rajapaksa wurde zum Ministerpräsidenten ernannt. Nun steht ihrem Plan, den alten 19. Verfassungszusatz abzuschaffen, nichts mehr im Wege. Als der 20. Verfassungszusatz in Sri Lankas Parlament verhandelt wurde, skandierten die Oppositionspolitiker: «Wir wollen den Zwanzigsten nicht.» Der neueste Verfassungszusatz ist so umstritten, weil er Sri Lankas Präsident jene Machtfülle zurückgibt, die erst vor fünf Jahren mit dem 19. Verfassungszusatz beschnitten wurde. Fortan soll Präsident Gotabaya Rajapaksa fast uneingeschränkt regieren dürfen, die Rolle des Premierministers und des Parlaments werden geschwächt. Der Präsident soll in Zukunft unter anderem den höchsten Strafverfolger, den nationalen Polizeichef und auch Richter des höchsten Gerichtshofs ernennen dürfen – all dies, ohne das Parlament zu konsultieren. Ein Jahr nach dessen Wahl dürfte er zudem das Parlament auflösen. Prominente Anwälte, Politiker und Wissenschafter befürchten nun, dass Asiens älteste Demokratie in eine Diktatur abgleitet.

Die im Indischen Ozean direkt vor der Küste des Subkontinents gelegene Insel ist für die Bestimmung des Kräfteverhältnisses in der Region von großer Bedeutung. Die Häfen von Sri Lanka verbinden eine weite Region, von der Ostküste Afrikas und der Arabischen Halbinsel bis nach Südostasien und darüber hinaus. Für den internationalen Handel und die Schifffahrt ist dies von enormer Bedeutung.

Nachdem die Insel zu einem Schwerpunkt der „Belt and Road Initiative“  (BRI)  geworden war und China den umstrittenen Hafen von Hambantota gepachtet hatte, läuteten in Neu-Delhi und Washington die Alarmglocken, da China zunehmend in der Lage war, die wirtschaftliche Zukunft der indopazifischen Region und die Zukunft der Interkontinentalschifffahrt zu gestalten. Vor diesem Hintergrund findet sich Sri Lanka in der wachsenden Rivalität der Großmächte im indopazifischen Raum wieder. .

Wegen eines tropischen Wirbelsturms sind auf Sri Lanka rund 10.000 Menschen in Notunterkünfte gebracht worden.

Die Region hat viel Erfahrung mit starken Wirbelstürmen, die im Golf von Bengalen zwischen April und November immer wieder vorkommen. Bei einem großen Zyklon im Jahr 1999 starben knapp 10.000 Menschen, 15 Millionen verloren ihr Zuhause.

Experten gehen davon aus, dass die Intensität der Tropenstürme in den vergangenen Jahren wegen des Klimawandels zugenommen hat, da sie unter anderem ihre Energie aus dem warmen Meerwasser ziehen. Zudem würden aufgrund des steigenden Meeresspiegels Sturmfluten immer höher aufsteigen.

Trotzdem waren die Opferzahlen in den vergangenen Jahren generell kleiner, da es inzwischen bessere Wettervorhersagen gibt, Indien und Sri Lanka Notunterkünfte gebaut und Evakuierungspläne und Warnsysteme entworfen haben. Die Sachschäden bleiben aber groß.

Quelle: https://der-farang.com/de/pages/

SRF „HeuteMorgen“ vom 27.02.2015

Für die tamilische Minderheit hat sich die Sicherheitslage in Sri Lanka im letzten Jahr offenbar nicht verbessert. Der Norden des Landes war noch immer geprägt vom Konflikt zwischen der singhalesischen Mehrheit und der tamilischen Minderheit.

Die Sicherheitslage für die tamilische Minderheit habe sich vor dem Regierungswechsel im Januar zugespitzt. Seit dem Regierungswechsel gebe es nun aber Hinweise auf eine Verbesserung der Situation für die Tamilen. Eine konkrete Aussage über die Auswirkungen für Randgruppen sei aber noch nicht möglich,

Sri Lanka ist ein begehrtes Tourismus-Land. Doch Walbeobachtungs-Touren und viele Hotels werden nicht von normalen Reisebüros angeboten, sondern von der Armee. Diese war bis vor kurzem in einen brutalen Bürgerkrieg verwickelt, bei dem auch Zehntausende Zivilisten umkamen. Das Land scheint nach dem blutigen Bürgerkrieg zur Ruhe gekommen. Diese Ruhe täuscht aber, warnt die Gesellschaft für bedrohte Völker. Auch nach Kriegsende würden weiterhin ethnische und religiöse Minderheiten unterdrückt. Darum müsse jeder, der Ferien in Sri lanka mache, genau hinschauen, wo er hingehe.

Ein Hotel, das ein Jahr nach Ende des Krieges eröffnet wurde, hat einen Schönheitsfehler: Es steht auf geraubtem, tamilischem Land. Dieses wurde von der Armee zur Hochsicher-heitszone erklärt und auch nach Kriegsende nicht an seine Besitzer zurück gegeben.

Für Angela Mattli, Kampagnenleiterin bei der Gesellschaft für bedrohte Völker, verdeutlicht Thalsevana die Rolle der Armee seit Kriegsende – vor allem im ehemaligen Kriegsgebiet, im Norden und Osten des Landes. «Seit dem Krieg gibt es nicht weniger Armeeangehörige – im Gegenteil. Man hat ihnen Jobs im zivilen Sektor geschaffen, dazu gehört nun auch der Tourismus. Sie haben im ganzen Land Angebote: Hotels, Whalewatching, Bootsbetriebe, Läden.»

Die Armee plant für die kommenden Jahre mehr als 150 Hotels im ganzen Land. Bereits heute kommen die Männer und Frauen in Uniform mit ihren Hotels in Konflikt mit den Menschenrechten und mit der lokalen Bevölkerung.

«  Die Bevölkerung wird nicht informiert oder erst dann, wenn das Hotel gebaut ist. Die Leute werden zum Teil enteignet. » Menschenrechte gehen baden.

2015 Wahlen

„I wish all…a peaceful, happy and prosperous New Year – The PRESIDENT.“ Diese SMS erreichte uns am 1.Januar auf unserem SriLanka-Handy! Bei der Präsidentenwahl im Januar hatte der langjährige Staatschef Mahinda Rajapaksa überraschend verloren. Es war eine Überraschung, dass er, der sich zum dritten Mal hat wählen lassen wollen, seine Abwahl nicht mit unlauteren Mitteln verhindert hat. gegen den Herausforderer, seinen ehemaligen Innenminister Maithripala Sirisena.

Amtsinhaber Rajapaksa gab sich lange siegessicher. Mahinda Rajapaksa ist es gewohnt zu siegen. Der 69-Jährige regiert das Tropenparadies Sri Lanka seit 2005. Viele Mitglieder seiner Familie sitzen an wichtigen Schaltstellen der Macht. Die um zwei Jahre vorgezogene Wahl jetzt sollte die herausragende Stellung zementieren, glaubt der politische Beobachter Paikiasothy Saravanamuttu in Colombo. Zum ersten Mal bewirbt sich ein Präsident um eine dritte Amtszeit.

„Das Rajapaksa-Regime ist autoritär, es ist ein dynastisches Projekt. Es bewegt sich weg von der parlamentarischen Demokratie, hin zu mehr Autokratie“, meint  Saravanamuttu. Alles schien nach Plan zu verlaufen, doch dann sagte sich ein enger politischer Weggefährte in einer Nacht- und Nebelaktion von Mahinda Rajapaksa los, um ihn bei der vorgezogenen Wahl herauszufordern.

Die meisten gewalttätigen Ausschreitungen bei dieser Wahl gehen nach Angaben von unabhängigen Wahlbeobachtern auf das Konto der Rajapaksa-Anhänger. Journalisten, politische Aktivisten und Menschenrechtler erleben Einschüchterungen. Vielen ausländischen Journalisten wurde die Einreise zur Berichterstattung über die Wahl verweigert.

Der 63-jährige war jahrelang ein enger Mitarbeiter Rajapaksas – als Vertrauter, als Minister, als Generalsekretär der Präsidentenpartei. Und jetzt das: „Rajapaksa hat ein durch und durch korruptes System aufgebaut“, klagt Sirisena an. Wenn er gewinne, wolle er die ausufernde Macht des Präsidenten an das Parlament zurückgeben und die politische Vetternwirtschaft beenden. Im November brach er überraschend mit seinem Chef, um bei den Wahlen gegen ihn anzutreten. Rajapaksa wertete dies als schweren Vertrauensbruch.  Nach Angaben von Fernsehsendern lag Sirisena mit 53 Prozent der Stimmen vor Rajapaksa mit 46 Prozent. Seine Partei gewann auch bei der Parlamentswahl im August die Mehrheit.   

Sirisena hatte versprochen, für mehr Gerechtigkeit, gegen die Vetternwirtschaft seines Vorgängers und für die Aufarbeitung der Kriegsverbrechen aus dem Bürgerkrieg zu sorgen. Und tatsächlich hat es inzwischen entsprechende Gesetzesänderungen gegeben. So haben alle Bürger (auch wir) am Internationalen Anti-Korruptions-Tag diese Aufforderung der Bestechungs-Kommission erhalten: „I declare: I shall not pay a bribe, I shall not take a bribe and I shall report/give info on corrupt practices“!